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DAS
ÖFLINGER MODELL

Kunst ist im Haus der Diakonie Wehr-Öflingen allgegenwärtig: In den Aufenthaltsräumen, Fluren und Gärten der Wohnhäuser und Tagesstätte.

 

Die Bilder und Skulpturen von bekannten Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Behinderung umfangen die Menschen, die hier leben, arbeiten oder uns besuchen. Sie eröffnen vielfältige und immer neue Perspektiven, regen an zu künstlerischen Aktivitäten und bereichern das kreative Miteinander. Dies macht das Haus der Diakonie Wehr-Öflingen zu einem außergewöhnlichen Ort in der Region und ganz Deutschland.

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Kunst als Grundstein

Die künstlerischen Arbeiten sind Teil der Sammlung, die Hanna (1926-2022) und Paul Gräb (1921-2019) seit den 1960er Jahren aufgebaut haben. Um die Orgel für die neu erbaute Kirche in Öflingen zu finanzieren, lud Paul Gräb erstmals 1961 auch von den Nazis verfolgte Künstlerinnen und Künstler ein – darunter Otto Dix, HAP Grieshaber, Erich Heckel und Gerhard Marcks -, um in der Kirche auszustellen. Das erfolgreiche Ausstellungskonzept wird bis Mitte der 80er Jahre fortgesetzt und ab 1971 erweitert um begleitende Symposien zu Themen im Kontext von Kunst, Kirche und Diakonie. Der Erlös aus dem Verkauf der ausgestellten Arbeiten – ein Drittel ist für den Diakonieverein, zwei Drittel für die Künstlerinnen und Künstler – und der von Künstlerinnen und Künstlern gestifteten Jahresgaben, wird darauf verwendet, die Vision von Paul und Hanna Gräb zu verwirklichen. 1984 ist es dann endlich so weit. Der Grundstein für das Haus der Diakonie wird gelegt. Es wird 1985 eröffnet.

Die sich verwirklichende Vision

Mitten in Öflingen und eng eingebunden in die Region will das Haus der Diakonie Zuhause sein für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung, von denen zu dieser Zeit noch viele in den Psychiatrien untergebracht sind. Und es will ein Ort sein, an dem sie die Möglichkeit haben, ihre Stärken zu entfalten und ihre individuellen Lebenschancen wahrzunehmen und zu verwirklichen. Das Konzept ist erfolgreich, die Nachfrage nach den Wohnangeboten ist groß. Um dieser nachzukommen gerade auch von Menschen mit hohem Assistenzbedarf und ihren Familien, wird das Angebot in den folgenden Jahren erweitert. Weitere Wohnhäuser und die Tagesstätte werden gebaut. Auch diese Erweiterungen werden maßgeblich über den Verkauf von Kunst aus dem breiten Unterstützerkreis ermöglicht, ergänzt um den Erlös aus Benefizkonzerten, die die weltberühmte Geigerin Anne-Sophie Mutter, Schirmherrin der Hanna und Paul Gräb-Stiftung, regelmäßig für das Haus der Diakonie und seine Bewohnerinnen und Bewohner gibt.

Künstlerische (inklusive) Aktivitäten im Haus der Diakonie

Zur Einweihung des Hauses der Diakonie (1985) lässt Paul Gräb als Zeichen des Dankes an die vielen unterstützenden Künstlerinnen und Künstler Bilder in Fluren und Aufenthaltsräumen hängen. Die Arbeiten wirken auf die Bewohnerinnen und Bewohner inspirierend: Einige beginnen, selbst zu zeichnen, zu malen und zu gestalten. Das Atelier wird eingerichtet, um diesen Aktivitäten Raum zu geben. Zudem werden seit 1985 mehrfach pro Jahr Kunstaktionstage organisiert: Interessierte Bewohnerinnen und Bewohner haben hier die Gelegenheit, sich in von Künstlerinnen und Künstlern gestalteten Workshops anregen zu lassen und die eigene Formensprache weiterzuentwickeln. Bald schon bereichern ihre Arbeiten die regelmäßig neu gehängten Ausstellungen im Haus der Diakonie und finden ihren Weg auch in eine erweiterte Öffentlichkeit: Künstlerinnen und Künstler des Hauses beteiligen sich mit ihren Arbeiten regelmäßig an exklusiven und inklusiven Ausstellungen in den umliegenden kommunalen Galerien aber auch bundesweit, unter anderem bei der Dokumenta in Kassel. Seit 1988 präsentieren sie ihre Arbeiten in gemeinsamen Ausstellungskatalogen. Zur besonderen Würdigung der Kunst von Künstlerinnen und Künstlern mit (sogenannter) geistiger Behinderung stiftet Lothar Späth, langjähriger Ministerpräsident von Baden-Württemberg und eng verbunden mit Hanna und Paul Gräb, Anne-Sophie Mutter und dem Haus der Diakonie, 2006 den Lothar-Späth-Förderpreis. Dieser wird seither im 2-Jahres-Rhythmus vergeben und erhöht das öffentliche Bewusstsein für diesen wichtigen Beitrag zur Vielfalt des Kulturlebens. Der inklusive Straßenchor, Theaterprojekte, (inklusive) Tanzworkshops und Performances bieten den Bewohnerinnen und Bewohnern Gelegenheit sich in weiteren Kunstformen zu erproben und Ausdrucksformen zu erweitern. Zudem eröffnen sie Begegnungsmöglichkeiten in inklusiven Workshops und bei Events.

Kunst und das personenzentrierte Fachkonzept

Nur was in seiner Autonomie respektiert wird, kann in einen Dialog eintreten – dies war Paul Gräb wichtig für den Dialog von Kunst und Kirche. Achtung und Wertschätzung kennzeichnen entsprechend auch die personzentrierte Grundhaltung im Haus der Diakonie: Wir respektieren unser Gegenüber, nehmen sie/ihn in seinem So-Sein mit seinen Äußerungen ernst, nähern uns dialogisch einem Verstehen an, vertrauen auf die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten und unterstützen dabei, sie zu entfalten. Dies erfordert insbesondere in der Assistenz für alternativ kommunizierenden Menschen eine hohe Professionalität und oft auch ausgeprägte Kreativität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Mehr Informationen zur Geschichte des Hauses und einen Einblick in die Vielfalt der Positionen und Ansätze von Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Behinderungen, die sich dem Öflinger-Modell verbunden sehen, finden Sie in  Netze. Hanna und Paul Gräb. Ein Lebenswerk (2012) und auf den Webseiten des Vereins Kunst und Diakonie und der Hanna und Paul Gräb-Stiftung.

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Etwas zeigen ist mehr als etwas sagen.

Paul Gräb

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